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BGH verschärft presserechtliche Anhörungspflichten

Höcker-Partner Dr. Carsten Brennecke hat beim BGH ein Grundsatz-Urteil in Sachen presserechtliche Anhörungspflichten erstritten - Foto: privat

Höcker-Partner Dr. Carsten Brennecke hat beim BGH ein Grundsatz-Urteil in Sachen presserechtliche Anhörungspflichten erstritten - Foto: privat
Der Bundesgerichtshof in Karlsruhe hat entschieden, dass für die Presse bei der Berichterstattung über eine Straftat härtere Regeln bei den Anhörungspflichten gelten (Urteil vom 16. Nov. 2021 - Az.: VI ZR 1241 /20). Anlass für dieses Verfahren war eine Online-Meldung des Spiegel-Verlags in Hamburg aus dem September 2017 in Sachen VW-Diesel-Skandal.

Das Hamburger Nachrichten-Magazin hatte darüber berichtet, dass der frühere VW-Manager Wolfgang Hatz in Verbindung mit dem Diesel-Skandal in U-Haft genommen wurde - sein Dementi wurde erst nachträglich hinzugefügt, weil der Manager für die Spiegel-Redaktion aufgrund der U-Haft nicht erreichbar war und keine anderen Möglichkeiten zur Kontakt-Aufnahme gegeben waren.

Mit dieser Vorgehensweise ist der VI. Zivilsenat am BGH nicht einverstanden. Selbst wenn der Verdächtige für Presse-Anfragen nicht erreichbar in Untersuchungshaft sitzt, ist eine Berichterstattung erst nach Anhörung zulässig. Der Bundesgerichtshof stellt zudem erstmalig klar, dass die Anhörung des Betroffenen und der Abdruck einer entlastenden Stellungnahme auch dann zwingend erforderlich sind, wenn die Antwort des Betroffenen alleine aus dem bloßen Dementi besteht, dass er die Straftat bestreitet.

Erstritten wurde diese Grundsatz-Entscheidung von der Kanzlei Höcker Rechtsanwälte aus Köln, die den ehemaligen VW-Manager Wolfgang Hatz schon seit mehreren Jahren berät. Mit Höcker erwirkte der VW-Manager vor dem Landgericht Köln und dem OLG Köln Verbote.

Das OLG Köln hat seine Entscheidung dem Bundesgerichtshof vorgelegt, weil gleich zwei wesentliche Aspekte höchstrichterlich noch nicht geklärt waren: Nicht geklärt war die Frage, ob die Anhörung des Betroffenen ausnahmsweise dann entbehrlich ist, wenn dieser für die Presse aufgrund einer Untersuchungshaft nicht für eine Anfrage erreichbar ist. Nicht geklärt war zudem die Frage, ob der Abdruck einer entlastenden Stellungnahme dann verzichtbar ist, wenn diese aus einem bloßen Dementi besteht.

Dr. Carsten Brennecke, Gründungspartner bei Höcker: "Diese Entscheidung hat gravierende Auswirkungen auf die künftige Verdachtsberichterstattung der Investigativ-Journalisten: Künftig ist eine Berichterstattung unter Namensnennung des Betroffenen erst dann zulässig, wenn die Presse mit jedem zumutbaren Arbeits- und Zeitaufwand alle Möglichkeiten ausgenutzt hat, diesem die Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Dies wird die Presse künftig zu einer abgestuften Berichterstattung zwingen: Die typische Gestaltung einer Eilmeldung wird ohne eine Erkennbar-Machung der Betroffenen auskommen müssen, wenn der Betroffene noch nicht angehört wurde. Die Presse wird sich daran gewöhnen müssen, in solchen Fällen „scheibchenweise“ berichten zu müssen. Der Name des Betroffenen darf erst dann genannt werden, wenn der komplexe Anhörungsprozess abgeschlossen ist. Ein Bericht darf dann auch nur mit einer entlastenden Stellungnahme des Betroffenen erfolgen, selbst wenn diese aus einem einfachen Bestreiten der Tat besteht."


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(ps) 03.01.2022



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