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LG Hamburg weist Klage von Katrin Göring-Eckhardt gegen Tichys Einblick ab

Die 24. Zivilkammer des Landgerichts Hamburg hat eine Klage von Katrin Göring-Eckhardt, Vize-Präsidentin des Deutschen Bundestages und ehemalige Vorsitzende der Bundestagsfraktion Bündnis 90/ Die Grünen, gegen das Online-Magazin Tichys Einblick zurückgewiesen ( Urteil vom 26. Aug. 2022 - Az.: 324 O 85/22).
Katrin Göring-Eckhardt hatte die Kanzlei Redeker, Sellner, Dahs aus Bonn beauftragt. Die Tichys Einblick GmbH mit Sitz in Eschborn lies vom von der Hamburger Kanzlei Rechtsanwälte Steinhöfel vertreten.
In dem Verfahren ging es um ein fiktives Interview, das am 23. Sept. 2021 unter der Überschrift "Grüne wollen staatliche Gutscheine für Putzhilfen" auf tichyseinblick.de publiziert worden war. Oberhalb der Überschrift waren in kleinerer Schrift die Worte „Achtung Satire! Achtung Satire!“ abgebildet. Die Unterüberschrift lautete „Glosse: Grüne wollen staatliche Gutscheine für Putzhilfen“.

In dem Artikel wurde einleitend darüber berichtet, dass die Klägerin staatlich geförderte Gutscheine für Haushaltsarbeiten fordere. Durch eine Verlinkung wurde Bezug genommen auf ein von der Klägerin veröffentlichtes "Autorinnen-Papier" mit der Überschrift "Agenda für Gleichstellung und ein selbstbestimmtes Familienleben". Darin führt die Klägerin unter anderem aus, dass sie die staatliche Förderung haushaltsnaher Dienstleistungen neu aufstellen wolle. Statt Steuer-Erleichterungen solle ein einkommensunabhängiges Gutschein-Modell für haushaltsnahe Dienstleistungen eingeführt werden. Es solle vom Staat geförderte Gutscheine geben, die bei geprüften Dienstleistungsagenturen eingelöst werden könnten.
In dem Artikel der Beklagten wird sodann ausgeführt, dass die Klägerin der Beklagten ein exklusives Interview dazu gegeben habe, "wie das genau funktionieren soll". Ein solches Interview hat nicht stattgefunden; die der Klägerin in dem Artikel zugeschriebenen Äußerungen sind erdacht.

Die Begründung des Urteils

Zu den Entscheidungsgründen wird im Urteil unter anderem ausgeführt:

Der Klägerin steht ein Anspruch auf Unterlassung nicht zu, insbesondere besteht kein Anspruch aus § 1004 Abs. 1 S. 2 analog, § 823 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG.

a) Die streitgegenständliche Veröffentlichung verletzt nicht das Persönlichkeitsrecht der Klägerin. Insbesondere ist die Klägerin nicht in ihrem Recht am eigenen Wort verletzt. Der Artikel beinhaltet nicht eine unwahre Tatsachenbehauptung dahingehend, dass die Äußerungen aus dem „Interview“ tatsächlich von der Klägerin stammen. Ein unvoreingenommenes und verständiges Publikum gelangt unter Berücksichtigung des Gesamtzusammenhangs des angeblichen Interviews nicht zu dem Verständnis, dass die Klägerin die ihr in der Berichterstattung zugeschriebenen Äußerungen tatsächlich so getätigt hat. Vielmehr erkennt das Publikum, dass es sich um einen satirischen Beitrag handelt und dass es sich bei den angeblichen Äußerungen der Klägerin um eine Übertreibung und eine Fiktion handelt und die Äußerungen erdacht sind. Der Beitrag vermittelt zwar vordergründig die unwahre Behauptung, dass die Äußerungen genau so von der Klägerin getätigt worden seien. Für die rechtliche Beurteilung kommt es allerdings maßgeblich darauf an, ob für den Empfänger erkennbar ist, dass es sich dabei um eine für die Satire typische Verfremdung oder Übertreibung handelt und er sie für seine Meinungsbildung bewerten und einordnen kann, oder ob er zu der irrigen Einschätzung kommen kann, die Angabe sei tatsächlich wahr (BGH, Urt. v. 10.01.2017 – VI ZR 561/15 –, Rn. 12). Satire ist dabei in 324 O 85/22 besonderer Weise zu beurteilen, weil sie bewusst ein Zerrbild der Wirklichkeit vermittelt. Eine Übertreibung oder Verfälschung ist wesenseigen für die Satire, weswegen sie nicht vordergründig aufgefasst werden darf. Vielmehr ist bei der rechtlichen Würdigung zwischen dem Aussagekern und seiner Einkleidung in die satirische Form zu unterscheiden. Dabei muss beachtet werden,
dass die Maßstäbe im Hinblick auf das Wesensmerkmal der Verfremdung für die Beurteilung der Einkleidung anders und im Regelfall weniger streng sind als die für die Bewertung des Aussagekerns (BVerfG, Beschl. v. 12.11.1997 – 1 BvR 2000/96 –, Rn. 13).

b) Im vorliegenden Fall betrifft die Verwendung der Form eines angeblich mit der Klägerin geführten Interviews die Einkleidung der Satire. Der Autor des Artikels übt mit diesem Gestaltungsmittel in der Weise Kritik an den Positionen und Forderungen der Klägerin, dass er ihr zur Erläuterung ihrer Forderungen Worte in den Mund legt, die die Position der Klägerin in grotesker Weise überzeichnet darstellen. Durch die groteske Übertreibung der Positionen der Klägerin zum von ihr vorgeschlagenen Gutscheinmodell zielt der Artikel darauf ab, diese Forderungen der Lächerlichkeit preiszugeben.

Die Leser des Artikels „durchschauen“ dieses Gestaltungsmittel und erkennen, dass es sich bei dem Interview um eine Satire handelt und dass die der Klägerin in Form des angeblichen Interviews in den Mund gelegten Äußerungen eine Einkleidung und Gestaltungsform der vorliegenden Satire darstellen.

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(ps) 29.08.2022



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